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sarahraich

Stille im Flur


Ein Kokon. Weiß. Still und so wirkt es unbewegt. Aber wie in jedem Kokon. Darin lebt immer etwas. Ein Schrei. Zieht die Haut von den Muskeln. Dann liegen sie da, nackt, rot, sehnig. Das Blut glänzt. Das noch frische. Viel ist es nicht. Präzisionsarbeit. Um das Blut geht es nicht. Die alten Spuren braun im Hintergrund. Manchmal arbeitet der Schrei unsauber. Reißt zu heftig, mit der Haut auch ein paar Muskelfasern. Im entstandenen Loch das Schimmern der feuchten Knochen.


Glänzend liegen die präparierten Muskelfasern da, geschützt von Blicken nur von dem Kokon, der die Stille macht. Die das Außen ist.

Nimmst du die da mit?

Unter dem Kokon rattern Räder, drehen sich viel zu schnell, unruhige Flure, karge Bilder, Stühle, weiß. Ein Labyrinth muss es sein. Der Schrei arbeitet sich gerade den Schädel entlang, zornig und unsauber, nun liegt doch viel Knochen blank. Roh glitzert er im Licht, der Kokon lässt es hindurch, und der Schmerz strahlt und funkelt, spreizt seine Flügel, all seine Schönheit, eine Symphonie, die den ganzen Körper bespielt, Sehnen und Muskeln zerrt und zupft, an Knochen rüttelt.

Jetzt kotzt sie. Habt ihr eine Nierenschale.

Der Kokon unberührt, ein bisschen Erbrochenes an den Rändern, kundige Hände wischen. Drei größere Bewegungen, ein bisschen Tupfen, alles weg. Das Papiertuch riecht säuerlich, ist aber schnell wieder fort.

Die Rollen sind still. Das Weiß ruht. Ein Rahmen darüber. Das Bild in die rechte Ecke gerutscht und dann doch hängen geblieben.

Fragen. Der Kokon antwortet.

Jaja, es geht schon.

In der Röhre stillliegen.

Ja, ich verstehe.

Es geht auch ganz schnell.

Dem Kokon fällt das alles sehr leicht, eigentlich, nur der Schrei tobt durch den hohler werdenden Körper. So viel abgeschabt, freigelegt. Zufrieden ist er nicht, rast die Extremitäten auf und ab, durch den zerschlissenen Bauchraum, den Brustkorb. Fetzen an den Rippen, ist das das Zwerchfell, rauf ins Hirn, schrille Töne für die graue Masse.

Ja, lieber eine Tüte mit reinnehmen.

Dem Kokon ist die Enge der Röhre gleichgültig. Auch das Stillliegen. Das Wummern. Macht alles nichts.

Ja alles gut.

Der Schrei lässt das nicht gelten. Durch die Eingeweide. Alles soll raus. Aber der Kokon schluckt die Kotze einfach runter.

Warten.

Gleich geht es weiter.

Stille im Flur.

Licht. wie geht das. Dritte Person Singular von gleißen.

Der Schrei hat die Öffnungen des Gesichts entdeckt, zerrt an der Nasenscheidewand, der Schmerz dazu hell und brennend, trampelt gleichzeitig die Zähne entlang. Hier stumpf und pochend. Ein seltsamer Klang, ergänzt vom schwindelerregenden Bohren im Hirn.

Dreitonmusik.

Erbrochenes, das auf den Boden plätschert. Der Kokon hat die Tüte vergessen. Es tropft noch ein wenig, bevor es wieder still wird.

Eine Hand, die eine Nadel führt. Gleich wird es besser. Merken sie schon.

Ja doch. Die Stimme. Ein Echo im leergefegten Inneren. Ohne den Schrei. Seltsam leer.

Da.

Noch ein Summen. Das bleibt.

Ja, prima. Danke. Viel besser.

Weiter nach der Werbeunterbrechung.

Leere Beine, die durch Flure stolpern.

Können sie mir sagen, wie man hier herausfindet.

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