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  • sarahraich

Bohnen in meiner Hand




Die Bohnen in meiner Hand glänzen prall, geschwängert vom Wasser der Nacht.

Mein Finger bohrt ihnen ein Loch, hinein in die schwarze Baumarkterde.

Nun wachst mal schön, murmele ich leise und ich weiß nicht, ist es ein Gebet, ist es ein Fluch, nur weiß ich, sie werden es tun.

Sie werden ihren Keim hinauf bohren, ins Licht, die Blätter entfalten und, ja, auch blühen

Und währenddessen fallen Bomben aus demselben Himmel, der sein Leuchten meinen Bohnen schickt, die nichts weiter tun, als das, was ihre Gene ihnen sagen, hast du Wasser, hast du Erde, dann wachse, einfach hinauf, immer weiter und die Bomben fallen, die Wände der Häuser zerreißen wie Papier und ich fülle den Krug mit Wasser und begieße die frisch gekaufte Erde, 3 Euro 99 garantiert ohne Torf.

Und das Licht, es fließt in mein Fenster, zu meinen Bohnen, seit Wochen ist es zu trocken, aber meinen Bohnen ist das egal, denn sie haben ja mich, jeden Morgen gieße ich sie, ihre kleinen Keimköpfe, zu Beginn noch bescheiden geknickt, sind schon bald voller Stolz, und jeden Tag sind es mehr Blätter und sind es mehr der Bomben und die Mutter mit dem toten Kind und der zerschossenen Hüfte sagt, ich solle es nicht übertreiben mit dem Wasser, sonst ertrinken die Bohnen. Und natürlich hat sie recht und ich stelle den Krug auf die Seite, damit er nicht zerbricht und reiche ihr ein Geschirrtuch für die blutende Stirn, und natürlich hole ich jetzt die Sonnenblumenkerne, denn Sonnenblumen gefallen doch allen und sie sind auch ein Zeichen, das ich wachsen lasse, auf meiner Fensterbank und die Frau schüttelt den Kopf und lacht, das Blut tropft durch das Tuch und macht einen Fleck auf ihrem Kleid. Tut es sehr weh, will ich fragen, aber sie kommt mir zu vor, was hast du denn gedacht, dass die Sowjetunion, die KZs und der Hunger mich gestählt haben für das hier? Ich fülle den nächsten Topf mit Erde, drücke die Kerne, schwarz und spitz und hart, hinein, oh, war das zu tief? Lass, jetzt ist es auch egal, oder willst du alles wieder hervor wühlen, du wirst schon sehen, ob da etwas wächst. Du hast ja recht, sage ich, was kann ich sonst schon tun, magst du vielleicht einen Kaffee, will ich sagen und tue es natürlich nicht, denn wer mag jetzt schon Kaffee und statt Kaffee nehme ich den Krug und gieße die schwarze Erde in der die Kerne liegen, die vielleicht Sonnenblumen werden, auf meiner Fensterbank, gelb und schön und stolz und ich zu mir sagen kann, das ist ein Zeichen.

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